Die Einteilung des Nystagmus bzw. die daraus resultierende Therapie ist abhängig davon, ob es sich um eine angeborene oder eine erworbene Nystagmusform handelt. Gerade in den letzten Jahren sind die Forschungsergebnisse hinsichtlich genetischer Zusammenhänge, beachtlich. Die neuen Erkenntnisse können einerseits Aufschluss über den noch weitgehend unbekannten pathophysiologischen Mechanismus des Nystagmus geben, zum anderen werden sie auch zukünftige Therapiemöglichkeiten beeinflussen.
Beim kongenitalen Nystagmus gibt es im Wesentlichen 3 Unterscheidungsformen:
1) durch eine organisch ausgelöste Augenveränderung (Albinismus, Aniridie, Stäbchen- und Zapfenanomalien, z.B. Achromatopsie) resultiert ein sensorischer Defektnystagmus.
2) ein, innerhalb der ersten Lebensmonate auftretender infantiler idiopathischer Nystagmus, der sich durch eine gute Visusprognose auszeichnet.
3) der beim frühkindlichen Schielsyndrom auftretende Nystagmus latens.
Beim erworbenen Nystagmus gibt es sehr viel mehr, wobei hier im Wesentlichen zwischen zentraler und peripherer Ursache (z.B. vestibulärer N.) unterschieden wird.
Zum zentralen Nystagmus zählt man den sakkadierten oszillopathischen N., medikamentöser N., periodisch alternierender N.(gibt es in seltenen Fällen auch angeboren!), See-saw-N.,Spasmus nutans, dissoziierter vertikaler N.,Blickrichtungs-N., Heimann-N., Nystagmus bei MS, Vestibulärer N (gibt es sowohl zentral als auch peripher).
Ursache
Beim familiären kongenitalen Nystagmus konnten Forschungsstudien (Gottlob, I. et al., BJO) in Großbritannien nachweisen, daß dieser autosomal dominant, rezessiv oder X-chromosomal (Xq26.2-q27,NYS 1, 6p12,7p11,15q11) vererbt werden kann. Als dafür verantwortliches Gen wurde das FRMD7 identifiziert. Das Gen verursacht Veränderungen in den Aminosäuren, die wiederum zu einer Störung der Proteinketten beiträgt. Die verminderte Expression dieses Gens (Tarpey,P. et. al, Nature Genetics 2006) im embryonalen Gehirn und der neuralen Retina könnte für seine spezifische Rolle in der Steuerung von Augenbewegungen und der Blickstabilität sprechen. Gottlob, I.,Pilling, R.F. et al untersuchten 2005 beim idiopathischen Nystagmus den Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher und visueller Funktion. Dazu haben sie 1023 Betroffene (Eltern und Kinder) befragt und herausgefunden, daß mit deutlich verminderter Visusfunktion auch eine schlechtere gesellschaftliche Funktion einhergeht.
Beim Albinismusbedingtem Nystagmus wird eine genetische Ursache (Lorenz et al. 2001) in einer neuartigen Mutation in dem OA 1 Gen vermutet. Bei den untersuchten Patienten zeigten sich als typisches Merkmal Makromelanosen. Die Autoren vermuten einen Zusammenhang mit Makulahypoplasien.
Therapie
Beim angeborenen Nystagmus mit Kopfzwangshaltung hat man seit Jahren gute Ergebnisse mit Augenmuskel-Umlagerungs-Operationen (Kestenbaum, OP nach artifizieller Divergenz, oder kombiniert aus beiden OP-Arten) erzielt. Beim periodisch alternierenden Nystagmus ist immer eine Umlagerung aller 4 gerader horizontaler Augenmuskeln notwendig.
Bei der Nystagmustherapie gibt es neue Ansätze, vor allen Dingen durch die Erkenntnis der potentiellen Rolle des Neurotransmitters GABA in der Augenstabilität. In verschiedenen Studien wurden Gabapentin, Memantin und Baflofen sowohl bei erworbenen als auch bei angeborenem Nystagmus zur Therapie eingesetzt. Bei MS-Patienten konnte unter Memantin ein geringfügig besseres Ergebnis erzielt werden als unter Baclofen oder Gabapentin (Shery,T.,BJO 2006). Die Wirkung des Baclofen wurde in der Arbeit von Comer, R. (Strabismus 2006) vorgestellt. Auch hier schien die Wirkungsweise des Memantin geringfügig besser zu sein. Eine Reduktion des Nystagmus mit einer Visusverbesserung konnte auch erstmalig beim infantilen idiopathischen Nystagmus unter GABA-Therapie nachgewiesen werden.
Angelika Cordey/Juni 2007