Seit der Pandemiezeit ist wohl dem letzten Skeptiker bewusst geworden, dass die Digitalisierung zunehmend unser Leben bestimmen wird.
Schulkinder, Lehrer, Unternehmen, Berufstätige, staatliche und private Einrichtungen, Verbände und Privatpersonen waren und sind zum Teil noch heute im Homeoffice und auch zukünftig auf eine gute digitale Vernetzung angewiesen.
Ein flächendeckender Ausbau steht nicht mehr zur Debatte, wohl aber der Umgang mit den digitalen Medien sowie deren barrierefreien Einrichtungen zur Teilhabe aller Personen.
1. Welche Auswirkung hat die Digitalisierung auf das Sehen?
2. Welche Bedeutung hat die Digitalisierung für sehbehinderte und blinde Menschen?
Der BOD (Berufsverband Orthoptik Deutschland e. V.) nahm diese Fragestellungen unter die Lupe und hebt im Ergebnis an dieser Stelle die wichtigsten Fakten hervor:
Mögliche Auswirkungen der Digitalisierung auf das Sehen
Unsere neue digitale Welt bestimmt auch unser Alltagsleben:
Computerspiele, Mobiltelefon, Internet, Social Media, Digitales Fernsehen, Digitalradio, Digital Video, E-Book, E-Learning etc.
Im vergangenen Schuljahr 2020/2021 war pandemiebedingt über viele Monate kein Präsenzunterricht in Schulen möglich – digitale Plattformen zum E-Learning waren fast ausschließlich die einzige Form zur Wissensvermittlung. In einigen Regionen und Haushalten zeigten sich digitale Engpässe und/oder Überlastungen; diese sollen nun aber flächendeckend zukunftssicher aufgerüstet werden. Welch ein Segen!
Ein vermehrter Einsatz elektronischer Geräte auch im (Kleinst-)Kindesalter ist jedoch bereits seit vielen Jahren zu beobachten. Kinder- und Jugendärzte warnen bereits seit Jahren vor ausgeprägten sekundären Auswirkungen:
In Abhängigkeit vom Medienkonsum werden
· bei Babys Entwicklungsauffälligkeiten aufgrund mangelnder visueller Interaktion sowie Fütter- und Einschlafstörungen,
· bei Kleinkindern Auffälligkeiten in der Sprachentwicklung und in visuellen Wahrnehmungsbereichen
· bei Schulkindern Konzentrationsstörungen, vermehrt auch eine Lese-Rechtschreibschwäche oder Dyskalkulie beobachtet.
Orthoptist*innen stellen durch die vermehrte Nutzung von Smartphones und Tablets bei geringem Nahabstand, unzureichender Tageslichtzufuhr und reduziertem Aufenthalt im Freien auch eine deutliche Zunahme von Akkommodationsstörungen und vor allem eine progressive Zunahme von Kurzsichtigkeit (=Myopie) bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen fest.
Da hohe Myopien die Risiken einer bleibenden Augenerkrankung (Netzhauterkrankung, Grüner Star) begünstigen, wird eine progressive Myopie als Risikofaktor für eine Sehbehinderung/Erblindung eingestuft.
Der Fluch, dass ein hoher Medienkonsum eine Myopie-Progression bei Jugendlichen begünstigt, sollte als Warnung dringend wahrgenommen werden.
Eltern sollten den Medienkonsum, den Nahabstand, die Tageslichtzufuhr sowie den Ausgleich im Freien kontrollieren.
Der Berufsverband www.orthoptik.de bietet weitere Informationen und Unterstützung bei Fragen – besuchen Sie unsere Website oder nehmen Kontakt mit uns auf.
Die Bedeutung der Digitalisierung für sehbehinderte und blinde Menschen
Barrierefreie Geldautomaten, Smartphones mit Sprachassistenz und Vorlesefunktion, diverse Softwareprogramme, Screenreader, E-Learning-Plattformen, Blutzuckersensoren zur Informationsübertragung an das Smartphone … – ein Segen für sehbehinderte und blinde Menschen!
Durch Digitalisierung werden Arbeitsprozesse zunehmend zu in Software gefassten Abläufen. Zur Teilhabe sehbehinderter und blinder Menschen muss eine digitale Barrierefreiheit jedoch flächendeckend vorangebracht werden, dazu zählen das inklusive Kommunikationsdesign (www.leserlich.info), flächendeckend barrierefreie E-Learning-Plattformen an Universitäten, Schulungen, eine zuverlässige Bildung mit Gewährung erforderlicher Assistenz und zusätzlichen Geräten und eine Berücksichtigung des Zeitfensters in der digitalen Arbeitswelt. Die neuen Technologien erfordern eine steigende Arbeitsgeschwindigkeit – ein Zeitdruck, dem viele sehbehinderte und blinde Menschen nicht gewachsen sind, da sie zur Bearbeitung der Aufträge einfach etwas mehr Zeit benötigen.
Die Veränderungen in unserer neuen digitalen Welt sind rasant – die barrierefreien Anpassungen werden immer „hinterherhinken“ und somit auch ein Fluch für sehbehinderte und blinde Menschen sein.
Um eine digitale Teilhabe für behinderte Menschen verwirklichen zu können, muss eine digitale Barrierefreiheit rechtssicher und umfassend vorangebracht und unter europarechtlichen Rahmenbedingungen im Sinne einer inklusiven Gesellschaft genutzt werden.
Links:
· Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e. V: (DBSV): www.dbsv.org/digitalisierung.html
· BIK – barrierefrei informieren und kommunizieren: www.bitvtest.de/ueber_bik.html
Autoren: P. Kampmann, E. Rothhaar, M. van Waveren