Interprofessionelle Kontakte im Myopie-Management
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Diskussionsrunde zum Thema Kooperation von Augenoptikern und Augenärzten beim Myopie-Management: Moderator Ingo Rütten mit (v. li.) Cornelia Hermann (Optik Eberle), Gudrun Westenberger (EssilorLuxottica), Petra Zapsky (CooperVision) und Elke van Alen (Orthoptistin in Hamburg) (Bild: Selim Gecgin) à soll ich wegen des Fotos bei eyebizz anfragen?
Eine Premiere, die erste Fachkonferenz zum Thema Myopie-Management in Deutschland fand vom 9.-10, Juni in Mannheim statt. Eine sehr interessante Konferenz von ca. 200 Optikern, die mit acht Vorträgen, zwei Diskussionsrunden und zwölf Workshops sehr lebendig war, viel Gelegenheit gab Wissen zu erweiterten und ins Gespräch zu kommen. Die Konferenz wurde von eyebizz, der Medienmarke der Augenoptik organisiert. Die Optics Conference by eyebizz ist die neue Wissensplattform für die Augenoptik, die an zwei Tagen in Mannheim stattfindet und die sich auf aktuelle Themen und Trends konzentriert. Die Konferenz bot diesmal die einzigartige Gelegenheit, das Verständnis für Myopie zu vertiefen und praktische Lösungen zu deren Behandlung und Vorbeugung zu entdecken. Im Rahmen der Industieausstellung waren Hersteller mit ihren neuesten Geräten und Lösungen fürs Myopie-Management vor Ort.
Der Workshop-Reigen startete am Freitag mit Themen wie „Social-Media-Werbung leicht gemacht“, Crash-Kurs Social Media und künstliche Intelligenz, alles Tools, die Augenoptiker heute schon für Ihr Marketing nutzen und in Zukunft noch zielgenauer einsetzen könnten.
Die Workshops am Freitagnachmittag zum Myopie-Management wurden von den jeweiligen Spezialisten der ausstellenden Firmen angeboten. Interessante Themen und Angebote für die Praxis, die auch im Dialog, also wirklich als Workshop erarbeitet wurden, auch hier gab es gute Gelegenheiten zum Austausch und Netzwerken. Themen waren im Bereich Kontaktlinsen u.a., die Kommunikation mit myopen Kindern inklusive der nicht selten aufgeregten, gar gestressten Eltern. Konsens war unter den Kontaktlinsenspezialisten, dass am Anfang der Small Talk steht, der eigentlich „Big Talk“ heißen müsste, schaffe er doch erst die Voraussetzungen für Sicherheit und Vertrauen im Gespräch und damit ein erfolgversprechendes Myopie-Management. Als schwierig wurde von einigen Teilnehmern die Kommunikation des Augenarztes eingeschätzt, die teilweise Kontaktlinsen bei Kindern und Jugendlichen ablehnen würden. Ein weiterer Workshop zur Kommunikation stellte das Kundengespräch in den Mittelpunkt. Wie kommunizieren Augenoptiker am geschicktesten, wenn Kinder und Eltern unterschiedliche Vorstellungen haben? Oder Kontaktlinsen abgelehnt werden? In Gruppenarbeit wurden Lösungen erarbeitet. Ein anderer Workshop stellte die Besonderheiten des Brillenglases Stellest vor, sowie Ergebnisse einer zweijährigen klinischen Studie, die einen Nachweis für die Wirksamkeit des Glases erbrachte.
Geräte gesteuertes „Myopie-Management mit dem Lenstar Myopia“ , sehr wichtiges Thema eines weiteren Workshops. Je früher eine progressive Myopie startet, desto extremer kann die Steigerung sein. Um den Wirkungsgrad einer Therapie besser einschätzen zu können, sind die Achslängenmessungen ein wertvolles Instrument. Zur Auswertung sind etliche Studien in der Software des Lenstar hinterlegt. Auch die neue Auswertungsmethode AMMC nach Kaymak; die „Age Matched Myopia Control“ gibt eine Prognose zur Progression der Myopie bezüglich der Achslängenentwicklung und wird zukünftig im Update enthalten sein. Im Rahmen eines weiteren Workshops wurden noch analysierte Fallbeispiele myoper Fehlsichtiger besprochen.
Den Schluss des Workshop-Reigens bildeten Patrick Bartz, technischer Produktmanager, und Pascal Blaser, Global Medical Affairs Manager, beide Hoya. Pascal Blaser haben wir ja bereits bei einigen BOD-Online-Fortbildungen selbst erlebt. Es gab einen spannenden intensiven und interaktiven Austausch mit dem Publikum. Einbezogen wurde das Publikum über die Online-Abfragen mit dem Mobiltelefon. Was ist für Sie Myopie-Management? Nach welchen Kriterien starten Sie es? Es zeigt sich, wie komplex scheinbar einfache Fragen zum Thema sind. Es gab auch sehr spannende Antwortverteilungen. Es war interessant einen Einblick in die Quoten unter den anwesenden Optikern zu bekommen.
Der Samstag war Vorträgen und Diskussionsrunden gewidmet. Der erste Block brachte Grundlagenforschung zum Thema. Was ist die Basis der optischen Myopie-Kontrolle? Was ist der aktuelle Forschungsstand? Was sind Folgeschäden einer im jungen Alter fortschreitenden Myopie? Und welche Korrektions- und Behandlungsmethoden gibt es?
Die drei unangefochtenen Experten des Vormittags waren Dr. Martin Lörtscher, Optometrist Pallas Kliniken, Prof. Dr. Hans-Jürgen Grein, Professor TH Lübeck Bereich Medizinische Optik, und nicht zuletzt Dr. Michael Bärtschi, Inhaber der Eyeness AG in der Schweiz, Stiftungsrat und Vorstandsmitglied der „Swiss Academy of Ophthalmology“. Alle Vorträge waren fachlich sehr interessant, da sie über Myopie aus einem anderen Blickwinkel berichteten als wir ihn sonst gewohnt sind. Zudem waren alle Referenten didaktisch extrem gut und „auf den Punkt“. Bärtschi lieferte auch die beste Definition, was Myopie-Management bedeutet: „Kontrollierte Anwendung präventiver Maßnahmen zur nachhaltigen Hemmung des Längenwachstums des Auges zwecks Minimierung krankhafter Folgeschäden.“ Er verwies auch auf die Notwendigkeit der Refraktionsprüfung in Cycloplegie/Mydriasis. Ausserdem ist ohne Verlaufskontrolle und damit Messung der Augenachslänge, so das Fazit der Forscher, kein wissenschaftlich kontrolliertes Myopie-Management möglich.
Im anschließenden Diskussionsblock wurde in einer ausschließlich weiblich besetzten Diskussionsrunde die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Myopie-Management thematisiert. Augenoptikerin Cornelia Hermann erwies sich als Skeptikerin. Die Kooperation mit Augenärzten verliefe oft zäh, sie kennt sogar welche, die Kontaktlinsen für Kinder ablehnten. Auf die Frage des Moderators Ingo Rütten, wer beim Thema Myopie-Management die Führung übernehmen sollte, antwortete sie, sie sehe den Augenoptiker in der Verantwortung, er müsse alle Fäden zusammenziehen.
Als Teilnehmerin der Diskussionsrunde plädierte ich an dieser Stelle eher fürs Brückenbauen: „Es geht nicht um Führung, sondern Kooperation und die gemeinsame Verantwortung für das Wohlergehen der Kinder, die alle übernehmen müssen.“ Das Thema sei noch nicht in seiner ganzen Breite in der Gesellschaft angekommen, deshalb bräuchte man noch etwas Geduld. Grade die Orthoptik sollte aber hier als guter Moderator zwischen Kind und Eltern, Ophthalmologie und Optik genutzt werden. Am Nachmittag konnte ich mich in meinem Vortrag nochmals nachdrücklich für eine interprofessionelle Zusammenarbeit im Myopie-Management einsetzen. Die „Kinderaugen im Auge behalten“, dafür ist ein Austausch zwischen den Berufsgruppen notwendig und sollte ausgeweitet werden etwa auf Kinderärzte und Pädagogen. Wie schon so oft ist der Schlüssel aus meiner Sicht mehr Wertschätzung für die Arbeit der anderen Berufsgruppen zeigen. So auch mein Appell in diesem Forum. Das Publikum in Mannheim applaudierte spontan. Die Optics Conference habe diese erste Brücke gebaut; aber es brauche noch mehr gemeinsame Fortbildungen. Die Orthoptik arbeitet eng mit den Augenärzten zusammen und kann dabei auch im Myopiemanagement Vermittler und Multiplikator sein.
Im weiteren Vortragsblick war insbesondere der Vortrag von Pascal Blaser „Quo vadis myopia“ , Mythen und Evidenz im Myopie-Management interessant und überraschend. Dass vielzitierte Studien aus Asien für europäische Kinderaugen keine Rolle spielten, widerlegte der Medical Director Myopia bei Hoya. Ein Vergleich der Zahlen zwischen Taiwan und den Philippinen, ergab große Unterschiede bezüglich der Myopie-Entwicklung, obwohl es doch beide asiatische Studien (Staaten) sind. Die unterschiedlich hohe Zahl an myopen Kindern liegt vielmehr an anderen Lebensumständen, der Einführung eines staatlichen Schulsystems etwa und stärkerem Leistungsdruck als in ethnischen Unterschieden oder der übermäßigen Nutzung von Handys. Pascal Blaser betonte die Notwendigkeit eines Myopie-Managements anhand des Indikators Augenlänge. Das neue Ziel sei, exzessives Wachstum zu reduzieren und ein gesundes physiologisches Wachstum zu ermöglichen, statt es komplett zu stoppen, wie etwa mit höherer Dosierung von Atropin.
Eine abschließende Diskussion „Messmethodik, Konzepte, Korrektionen“ ergab den Konsens für die anwesenden Optiker, dass jetzt der beste Zeitpunkt ist Myopie-Management anzubieten. Es wird noch viel Entwicklung geben, dabei ist vor allem eine sinnvolle interdisziplinäre Begleitung der Kinder und Jugendlichen über einen langen Zeitraum anzustreben.
Ein wertvolles Schlussplädoyer aus meiner Sicht. Es waren zwei prall gefüllte Tage, in glücklicherweise klimatisierten Räumen bei 32° Außentemperatur. Dennoch gab es auch mal hitzige Diskussionen, viel Input und einen guten Austausch, sowie wertvolle Kontakte. Als einzige Orthoptistin auf der Veranstaltung wurde ich viel angesprochen. Es ist erschütternd, wie wenig eigentlich auch die Optiker von unserer Ausbildung, Tätigkeit und Qualifikation wissen. Ich hoffe ich konnte hier für uns den Blickwinkel etwas weiten.
„Plattformen wie die Optics Conference sind wichtig für den Austausch unter den Branchen – alle mit in einem Boot!“ sagt eyebizz. Vielleicht gelingt ein breiterer Austausch in 2024, nächster Termin: 15. und 16. Juni 2024.
Elke van Alen
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