Tag der Legasthenie und Dyskalkulie

Visuelle Verstärker von Legasthenie und Dyslexie
Der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e. V. (BVL) und die Deutsche Kinderhilfe haben den 30. September zum Tag der Legasthenie ins Leben gerufen.
Die Augen sind an der gesamten Wahrnehmung mit 80 % beteiligt. Die visuellen Funktionen entwickeln sich bereits im Säuglingsalter und sind in dieser Phase, auch sensitive Phase genannt, extrem störanfällig. Als sensitive Phase bezeichnet man die Zeit der schnellen visuellen Reifung. Diese hat ihr Maximum in den ersten Lebensmonaten und nimmt dann langsam bis zum 6. Lebensjahr hin ab. Eine Restsensibilität ist noch bis etwa zum 14. Lebensjahr vorhanden.
Die visuelle Voraussetzung für eine normale Lesefähigkeit ist eine scharfe Abbildung der Buchstaben im Auge.
Zum Lesen eines Zeitungsdrucks in 25 cm Entfernung wird eine Sehschärfe von mindestens 0,4 (40%) benötigt. Da beim flüssigen Lesen stets eine ganze Buchstabengruppe überblickt werden muss, ist außerdem eine gewisse Größe des Lesegesichtsfeldes erforderlich.
Störungen in der Sehentwicklung und im Sehvorgang können zu Beeinträchtigungen in der normalen ganzheitlichen Entwicklung vom Kind bis zum Erwachsenen führen. Die Sehqualität hat auch Einfluss auf den schulischen und/oder beruflichen Alltag, auf die Lebensqualität und die Selbständigkeit eines Menschen.

Was haben nun Funktionsdefizite am Auge mit Auffälligkeiten in der Schule (LRS, Dyskalkulie, AD(H)S) zu tun?
Fest steht, dass Augen- und Sehfehler nicht die Ursache für Schulprobleme sind. Allerdings können sie ähnliche Symptome wie bei einer LRS zeigen, die bekannten Problematiken verstärken.
Wir sprechen dann von okulären (okulär = augenbedingt) Lesestörungen.

Okuläre Lesestörungen und deren Ursachen
Okuläre Lesestörungen können entweder durch ein unscharfes Bild in Folge nicht korrigierter optischer oder binokularer Probleme entstehen oder durch ein sensorisches Defizit.
Die wesentlichen Ursachen der okulären Lesestörungen sind:

1.Refraktionsanomalien (Fehlsichtigkeit)
Fehlsichtigkeiten sind unterschiedliche (anatomische) Bauvarianten des Auges. Dies bedeutet, dass der Augapfel im Verhältnis zur Brechkraft des Auges (Linse) zu lang (kurzsichtig) oder zu kurz geratenen (weitsichtig) ist. Das Sehen ohne die notwendige Brille oder mit falschen Brillengläsern strengt die Augen an, kann Kopfschmerzen, Konzentrationsprobleme und Schielen verursachen und auch zu Leseunlust führen.
Wichtig ist zu wissen, dass Sehfehler länger unentdeckt bleiben können und das Kinder und Jugendliche mit Fehlsichtigkeit im Gegensatz zu Erwachsenen selten Beschwerden über ihr Sehen äußern. Sie können sogar kurzfristig eine gute Lesefähigkeit erbringen, auch wenn ein Refraktionsfehler vorliegt, vor allem bei der Weitsichtigkeit.

2. latentes Schielen (Heterophorie)
Das latente/versteckte Schielen wird auch Heterophorie genannt. Es handelt sich dabei um eine Fehlstellung der Augen, die nur nachzuweisen ist, wenn man das sonst normale beidäugige Sehen (Binokularsehen) unterbricht oder aufhebt. Diese Schielform kann mit Anstrengung, Kopfschmerzen, Konzentrationsproblemen, Leseunlust sogenannten asthenopischen Beschwerden verbunden sein. Oftmals beschreiben die Betroffenen auch, dass sie beim Lesen und Schreiben die Linien und Zeilen nicht einhalten können oder die Zeilen ineinander rutschen.

3. intermittierendes Schielen
Bei dem intermittierenden oder periodisch auftretenden Schielen weichen die Augenachsen zeitweise von dem Parallelstand in eine Schielstellung ab. In den Phasen des Parallelstands beider Augen liegt normales beidäugiges Sehen vorliegt, in den Phasen der Schielstellung sieht der Patient in der Regel nur mit einem Auge (ein Auge wird ausgeschaltet).  Der Wechsel zwischen dem ein- und beidäugigem Sehen kann bei diesen Patienten zu Irritationen und Missempfindungen führen. Es kann sich auch bei Kleinkindern in motorischen Unsicherheiten (beim Klettern, Greifen, Laufen, Treppensteigen) und bei Schulkindern beim Lesen und Schreiben bemerkbar machen. Bei dem intermittierenden Schielen handelt es sich meist um ein Außenschielen.

4. Hypoakkommodation 
5. Konvergenzschwäche
Hypoakkommodation und Konvergenzschwäche treten oft kombiniert auf.  Diese sind oftmals bei Jugendlichen zu finden und werden daher auch juvenile/jugendlichen Naheinstellungsschwäche genannt.
Diese Patienten klagen häufig über Probleme bei der Fokus-Umstellung der Augen von Ferne zu Nähe oder umgekehrt, sehen oft unscharf, bekommen Kopfschmerzen oder Schwindel und müssen speziell beim Lesen und Schreiben einen größeren Abstand zum Buch/Heft einnehmen.

Zusammenfassung
Ein anstrengungsfreies, gutes Sehen mit beiden Augen ist die Voraussetzung für eine optimale Bildaufnahme und Bildverarbeitung im Gehirn.
Nicht korrigierte Fehler an den Augen können zu Defiziten in der Informationsaufnahme führen.
Schulprobleme mit Defiziten in der Lese-Rechtschreibleistung sind nicht von vornherein mit Augenproblemen zu erklären. Oft aber können nicht entdeckte Sehfehler und Störungen im Zusammenspiel der Augen die vorhandenen Probleme verstärken und zu okulären Lesestörungen führen. 
Daher ist es sehr wichtig, Kinder und Jugendlichen mit den genannten Auffälligkeiten orthoptisch und augenärztlich zu untersuchen und Störungen an den Augen zu korrigieren.

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