Der PET – Punkte-Erkennungs-Test

Eine Alternative zur Ermittlung des Visusäquivalents
Bei Menschen mit komplexen Behinderungen einen Sehtest durchzuführen, ist eine Herausforderung, die viel Erfahrung und geeignete Testmethoden erfordert.
Während ihrer Tätigkeit in der Blindeninstitutsstiftung in Würzburg hat die Orthoptistin Adelheid Zwick-Fertig 40 Jahre lang mit sehbehinderten Kindern, Jugendlichen und erwachsenen Menschen gearbeitet. Die meisten der Klienten im Blindeninstitut haben eine komplexe Mehrfachbehinderung, sodass die Anwendung von Optotypen-Visustests häufig nicht möglich ist. Deshalb hat Adelheid Zwick-Fertig den PET als praxistaugliche Alternative entworfen und über Jahre in der Anwendung erprobt und weiterentwickelt. Der Punkte-Erkennungs-Test dient der Ermittlung eines Visusäquivalents, vergleichbare Testverfahren hierzu sind Teller Acuity Cards (TAC) und Cardiff Acuity Cards.
Im Folgenden berichtet sie, wie es zur Entstehung des Tests kam, welche Gründe für den PET sprechen und von wem bzw. wie dieser genutzt werden kann.
Entwicklung des Punkte-Erkennungs-Tests
Der Anstoß zur Entwicklung des PET liegt inzwischen rund 35 Jahre zurück. 1985 gab es zur Ermittlung eines Visusäquivalentes nur den TAC und das Catford Gerät. Bei dem Catford-Gerät sind auf einer Trommel Punkte verschiedener Größen angeordnet. Durch einen Motor wird die Trommel rhythmisch bewegt, wodurch bei Erkennen eines Punktes ein optokinetischer Nystagmus (OKN) ausgelöst werden soll.
Bei der Benutzung des Catford Gerätes fiel mir auf, dass viele unserer Klienten die Punktgröße zwar erkennen bzw. zeigen konnten, der Nystagmus aber nicht ausgelöst wurde. Das liegt daran, dass (zum Teil) unterschiedliche Hirnregionen für die Auslösung eines OKN und die „Sehschärfe“ zuständig sind. Aus dieser Beobachtung heraus habe ich in der ersten Version des PET ein Preferential-looking-Verfahren mit Punkten in unterschiedlicher Größe entwickelt. Diese waren in der Mitte eines weißen Blattes positioniert.
Nach einigen Jahren habe ich festgestellt, dass der PET verbessert werden kann, indem die Punkte dezentral angeboten werden. Diese Methode ist noch einmal wesentlich genauer – und für die zu untersuchende Klientel auch interessanter. Auf das leere Blatt zum Abdecken kann bei dieser Variante auch verzichtet werden.
Gründe für die Entwicklung des PET
Es gab verschiedene Gründe, warum ich an der Entwicklung dieses Tests gearbeitet habe. Zuerst waren es rein praktische Überlegungen: Für Kleinkinder und Menschen mit komplexer Behinderung ist es oft wichtig, eine greifbare Erfahrung zu machen. Sie möchten direkt auf die Punkte, Streifen oder Bilder zeigen, wenn sie diese sehen. Bei den TAC-Tafeln ist das schwierig, da sie schmutzanfällig und teuer sind. Auch ist das Testfeld des TAC relativ groß – bei sehr schlechtem Sehvermögen ist daher häufig der Testabstand so gering, dass Blickwechsel schwerer zu erkennen ist.
Anwendung und Einsatz des PET
Die Zielgruppe des PET sind Kleinkinder und Menschen mit komplexer Mehrfachbehinderung, bei denen aufgrund von Alter oder der Behinderung kein Optotypen-Visustest durchgeführt werden kann. Da je nach ophthalmologischem Befund und eingesetztem Testverfahren teilweise unterschiedliche Ergebnisse erzielt werden, empfiehlt es sich, sowohl den PET als auch den TAC und/oder Cardiff-Test anzuwenden.
Der PET wird seit vielen Jahren von verschiedenen Orthoptistinnen der Blindeninstitutsstiftung und der Augenklinik Würzburg eingesetzt. Verwenden können den Test Orthoptist/innen, (Sehbehinderten-)Pädagog/innen oder Kolleg/innen der pädagogischen Frühförderung für Menschen mit Sehbehinderung.
Der Test ist unkompliziert in der Anwendung und bei taktilem Kontakt pflegeleicht zu reinigen. Die Überprüfung erfolgt, indem man die Tafeln mit den dezentralen schwarz aufgedruckten Punkten zunächst mit einer weißen Karte verdeckt. Dann wird die Tafel mit dem Punkt freigegeben. Anschließend folgen im Wechsel Tafeln, auf denen die Punkte immer kleiner werden. Dabei wird vom Testenden beobachtet, welches der kleinste Punkt ist, der noch sicher entdeckt, fixiert und/oder gezeigt wird. Wenn möglich, sollte die Überprüfung auch monokular erfolgen. Die Prüfdistanz muss beachtet und notiert werden. Anhand einer mit Prof. Dr. W. D. Schäfer erarbeiteten Formel kann nach dem Test das Visusäquivalent ermittelt werden.
Die Testmappe mit Anleitung und Punktetafeln wird inklusiv in der Bentheim Werkstatt des Blindeninstituts hergestellt und kann dort auch bezogen werden. Sie kostet inkl. Versand knapp 50,00 Euro und wird per E-Mail-Bestellung unter bentheim-werkstatt@blindeninstitut.de angefordert.
Literaturhinweis: BVA Sonderdruck, Wiesbaden 1990 Prof. Dr. med. W. D. Schäfer und Adelheid Zwick-Fertig
Kontakt
Blindeninstitute Würzburg und Untermain,
Öffentlichkeitsarbeit, Sabine Tracht
Ohmstr. 7, 97076 Würzburg, Tel. 0931/2092-2395
sabine.tracht@blindeninstitut.de


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Orthoptistin Heike Kupfernagel überprüft mit dem Punkte-Erkennungs-Test das Visusäquivalent einer komplex beeinträchtigten Klientin. (Foto: Sabine Tracht/Blindeninstitut)

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